In dieser Rubrik werden Funde beschrieben, die aus unserer Sicht ausserordentlich sind und von den meisten Pilzexperten nicht auf Anhieb angesprochen werden können. In diesem Sinne können auch Anfragen im Forumsbereich zu einem solchen Bericht führen.

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Parasitischer Scheidling (Volvariella surrecta)

Der ausserordentlich gute Pilzherbst 2017 trug auch seltene Blüten. Dies beweist uns Pilzkenner Marcello Maggetti mit seinem tollen Oktober-Fund. Bilder und Text stammen von ihm – vielen Dank!

Der Parasitische Scheidling (Volvariella surrecta) ist eine seltene Art, die auf verwesenden Pilzen fruktifiziert, in der Regel auf Nebelkappen (Clitocybe bzw. Lepista nebularis).
Die Art gilt in der Schweiz als gefährdet und ist kein Speisepilz.

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Fund: 20. Okt. 2017, auf kaum noch erkennbaren Nebelkappen-Haufen, im Bachsertal, 600 m über Meer, Kanton Zürich, im Fichtenwald, Anzahl ca. 100.

Europäisches Goldblatt (Phylloporus pelletieri)

13908859_10210236431057593_2239296902558023448_oDas Europäische Goldblatt ist der einzige europäische Vertreter seiner Gattung, weltweit sind etwa 10 Arten bekannt. Die Gattung Phylloporus stellt mit seiner lamelligen Fruchtschicht die Übergangsform von Lamellen- zu Röhrenpilzen dar und ist somit etwas ganz Besonderes. Das Fleisch ist blassgelblich mit rötlichem Schimmer gefärbt. Die  queraderig verbundenen Lamellen (anastomisierend) erinnern  an „grosse“ „weite“ Röhren, sind breit angewachsen bis herablaufend und haben im Alter oft braunrote Schneiden.13913787_10210236436297724_7864925107435052434_o Das Sporenpulver ist gelb-oliv-braun gefärbt. Von oben betrachtet, hat man bei dem filzigen rotbräunlichen Hut erst das Gefühl, einen Filzröhrling gefunden zu haben. Die wahre Pracht eröffnet sich einem erst, wenn man die Hutunterseite sieht, mit seinem leuchtend goldgelben lamelligen Hymenophor. 13988200_10210236433737660_8506268646015615633_o Das Europäische Goldblatt gilt als essbar, sollte Aufgrund seiner Seltenheit aber geschont werden.

 Ein schöner Anblick ist es jedesmal von Neuem.

Gefunden August 2016 in Hochfelden von Jeannine

Ein winterlicher Sommertrüffel

Pilzanfragen im Winter sind etwas besonderes! Nicht viele gehen in der kalten Jahreszeit Pilze sammeln, und jene, die es tun, kennen sich oft so gut aus, dass sie keine Unterstützung brauchen – zumal es ja sowieso nur wenige Arten gibt dann.
Deshalb war ich freudig überrascht, als gegen Ende Februar letzten Jahres eine Anrufer mit einer Pilzanfrage an mich gelangte. Als er mir dann auch noch mitteilte, dass er glaube, einen Trüffel gefunden zu haben, war ich ziemlich skeptisch und dachte an einen Scherz. Doch dem war nicht so!
Kurze Zeit später hielt ich die Knolle in meinen Händen und musste ihr zugestehn, dass sie mit vollem Recht den Namen Burgunder-Trüffel (Tuber aestivum) tragen durfte. Dass diese Trüffelart auch als Sommertrüffel bezeichnet wird, trug wenig dazu bei, den Fund Ernst zu nehmen.
WP_20150126_13_58_05_ProGemäss Aussage des glücklichen Finders – einem Trüffelliebhaber – hatten sich seine Kinder tags zuvor im verschneiten Garten aufgehalten und unter einem Magnolienbaum herum gegraben. Offenbar waren sie dabei auf die Knolle gestossen, konnten ihr aber nichts abgewinnen und warfen sie zur Seite.
Als der Trüffelliebhaber am nächsten Tag in sein Auto steigen wollte, traute er seinen Augen nicht, als er die Knolle daneben im Schnee liegend entdeckte.

Ein möglicher Zufall
Es ist tatsächlich so, dass die Burgunder- oder Sommertrüffel in der Schweiz vorkommt. Ihre im Juni noch unreifen Fruchtkörper reifen bis zum September und können bis ins Folgejahr im Februar überdauern. Sie gehört zu den Trüffeln mittlerer Güteklasse und ist zum Verzehr durchaus geeignet. Das gefundene Exemplar war von guter Qualität und wurde vom Finder mit Freude und Genuss verspeist.

Seltener Steinpilz (Boletus aereus)

 

Im Jahr 2012 hatte ich noch nicht soviel Ahnung von Pilzen und wusste deshalb im ersten Moment nicht, was ich da genau für einen Röhrling mitten auf einem Waldweg in Bülach gefunden hatte.

Zu Hause habe ich dann festgestellt, dass mir ein ganz seltener Fund ins Körbchen gehuscht ist. Das hat mich natürlich riesig gefreut! Gleichzeitig hat aber auch das schlechte Gewissen an mir genagt, weil er als gefährdet auf der Roten Liste steht. Na ja, schon mal gepflückt, ist er dann trotzdem in der Pfanne gelandet, also das, was die Schnecken davon noch übriggelassen haben.

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Boltus aereus besitzt im Gegensatz zu Boletus edulis (Fichtensteinpilz) und B. aestivalis (Sommersteinpilz) einen feinsamtigen sehr dunklen, schwarzbraunen Hut, wobei auch der Sommersteinpilz ziemlich dunkel ausfallen kann.

Auffallend ist  der braune Stiel, der etwas heller als der Hut ist und im unteren Stielbereich ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes braunes Netz besitzt. Natürlich ist das Netz wie bei allen Steinpilzen direkt unter dem Hut, an der Stielspitze feinmaschig weiss.

Auch B. aestivalis  hat am Stiel, ein meist bräunliches schmutziges Netz, jedoch ist der Stiel im allgemeinen nicht fast gleichfarbig wie der Hu wie bei B. aereus. Der Stiel von B. aereus ist auch bauchiger, als bei B. aestivalis. Boletus edulis hat dagegen ein sehr ausgeprägtes markantes weisses Stielnetz.

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Jedes Jahr halte ich natürlich an derselben Stelle, nach weiteren Fruchtkörpern Ausschau. Leider bisher erfolglos. Sollte wider Erwarten trotzdem mal wieder einer auftauchen, werde ich hier davon berichten.

Auf der Seite des WSL (Pilzverbreitungsatlas der Schweiz) sind seit 1970 gerade mal 42 Funde verzeichnet. Wer Interesse hat, kann die Fundorte auf folgendem Link abrufen. Meinen Fund habe ich damals nicht gemeldet.

Verbreitungsatlas der Pilze Schweiz (Suchmaske) :

http://merkur.wsl.ch/didado/fungusweb2.search_map?sprache_app=D

 

 

 

 

Eine haarige Sache

Nicht schlecht staunte ich, als ich 22. September 2015 an einem Wegrand beim Tannholz, Embrach, dieses haarige Büschel entdeckte. Höhe und Durchmesser betrugen ca. 10 cm, die einzelnen Haare waren schwarz und außergewöhnlich stark (fast wie Hundetasthaare), zum Teil trugen sie kleine schwarze Verdickungen am Ende.
Neben dem „Hauptfruchtkörper“ befanden sich kleinere „Nebenfruchtkörper“, die fest mit dem Boden verbunden schienen.
WP_20150922_19_09_43_ProDa mir das Gebilde völlig unbekannt war, durchforstete ich zuhause erst einmal die Literatur – erfolglos – und kehrte zwei Tage später an den Fundort zurück.
Das Gebilde war noch da, allerdings waren die Haare nun zerzaust und die „Nebenfruchtkörper“ verschwunden. Ich entfernte es vom Boden und stellte fest, dass es auf einer Art Kot fruktifizierte.
Zuhause bewahrte ich es draußen in einer Papiertasche auf und schickte die Bilder davon erst einmal an einige Kollegen. Da positive Rückmeldungen ausblieben, entschied ich mich, das Gebilde in die VAPKO-Woche nach Landquart mitzunehmen, die wenige Tage später stattfand.
Als ich zwei Tage später die Papiertasche konsultierte um nachzuschauen, ob das Gebilde bis dann halten würde, staunte ich erneut; dem Substrat waren neue „Haare“ gewachsen!
WP_20150926_15_45_42_ProDiesmal wirkten sie eher weiß; die Verdickungen am Ende waren gelb. Ich war mir sicher, dass es sich um einen Pilz handelt – nur welcher?
In der VAPKO-Woche führte das Gebilde dann fast zu einem Streit. Gute Pilzexperten lehnten meine Pilzthese rundweg ab. Einige entzündeten einen Teil davon und deklarierten den Geruch als „eindeutig verbrannte Haare“.
Erst als ich nach weiteren Recherchen im Internet ein sehr ähnlich aussehendes Foto entdeckte, das mit Pilobulus cristallinus bezeichnet war, verstummten die Kontrahenten.
WP_20151008_10_44_05_ProDer Ausbildungsleiter, von Beruf Wildhüter, untersuchte das Substrat und legte sich aufgrund der Struktur auf Frischlingskot fest.
Ich mikroskopierte die Haare und speziell ihre Verdickungen, sowohl vom Erstfund als auch vom nachgewachsenen Bereich und entdeckte dabei viele Pilzsporen.
WP_20151022_19_47_42_ProProf. Heinz Clé-
mençon, dem ich meine Bilder und Überlegungen schickte, lehnte den Pilobulus cristallinus aufgrund verschiedener Abweichungen ab, bestätigte aber die Zugehörigkeit zu den Zygomyceten.
WP_20151022_19_51_00_ProZuhause befeuch-
tete ich einen Teil des Fundes und bewahrte ihn wieder in einer Papiertasche auf, mit dem Resultat, dass nach wenigen Tagen die erneute Bildung von haarähnlichen Auswüchsen erfolgte, Farbe eher grau, Länge bis ca. 8 cm, mit schwarzen Endpunkten (in jüngeren/kürzeren Stadien gelbe Endpunkte). Mit all den gewonnen Informationen recherchierte ich weiter und gelangte zur Gattung Phycomyces, die zu den Mucorales gehört – genauer noch zu den beiden etwas bekannteren beschriebenen Arten P. blakesleeanus und P. nitens. Obwohl die meisten im Internet publizierten Bilder, die mit meinem Fund praktisch identisch sind, dem P. blakesleeanus zugeordnet werden, legte ich mich aufgrund der Sporengrösse von 18-25 x 10-12 Mikrometer zuletzt auf P. nitens fest; dies aufgrund einer recht seriös wirkenden Quelle, welche die Sporengrösse beider Arten angab und darauf hinwies, dass sie in der Vergangenheit wohl oft verwechselt worden waren. Bis zur nächsten Widerlegung verbleibe ich bei dieser Bestimmung!

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