Hallo zusammen
Da bin ich mal wieder – diesmal so richtig ratlos. Eigentlich freue ich mich über jeden Pilz, den ich im Winter sehe, und die meisten davon kenne ich inzwischen, da es ja sehr wenige Arten sind.
Letzten Sonntag aber traf ich dieses Bild an in Uster, zwischen Büschen, von denen ich einige als Wildrosen erkannte. Das Substrat bestand aus Holzschnitzel, Laub, kleinen Ästen und Erde.
Die Pilze wuchsen büschelig und/oder rasig an verschiedenen Stellen. Es waren wohl weit über 100 Exemplare, die einen noch in sattem Orangebraun, viele aber auch verfärbt, schrumpelig oder sonst hinüber, als seien sie erfroren. Ausserdem waren sie nass und schwer.
Wenn ich im Winter derart gefärbte Pilze in büscheliger Wuchsform sehe und es keine Samtfussrüblinge sind, denke jeweils an Trompetenschnitzlinge – oder eben Winter-Trompetenschnitzlinge. Standort und Substrat passten da ja auch sehr gut. Und auch die angewachsenen, zum Teil leicht herablaufenden Lamellen und das auf Kräutern liegengebliebene orangebraune Sporenpulver sprachen nicht dagegen.
Nur, einige Exemplare waren mir einfach zu mächtig, mit bis 6cm breiten Hüten und teils deutlich bauchigen Stielen. So etwas kenne ich nicht vom Trompetenschnitzling, die ja eher klein und schmächtig sind. Auch konnte ich bei keinem kleineren Exemplar eine nabelförmige Mitte und auch nirgends eine Riefung entdecken. Das Erscheinungsbild, vor allem der grösseren Exemplare, erinnerte mich vielmehr an Cortinarien.
Beim Bestimmversuch zu Hause bewegte ich mich dann auch in Richtung Rauhköpfe und bog danach aufgrund der Hygrophanität zu den Telamonias (Gürtelfüsse, Wasserköpfe) ab. Dort endete mein Versuch in schlichter Ratlosigkeit.
Könnt ihr mir weiterhelfen? Gibt es Cortinarien im Winter, die ausserdem rasig oder büschelig auf Holzresten wachsen? Oder sind es doch Trompetenschnitzlinge. Oder liege ich komplett falsch??
Vielen Dank und winterliche Grüsse, Nina
Hallo Nina..
Sicher ein ungewöhnlicher Fund für die Jahreszeit. Ein typischer Winterpilz, wie wir sie kennen ist das meiner Meinung nach nicht.
Am ehesten könnte ich mir aufgrund des Standorts (Mulch) den Beringten Flämmling ( Gymnopilus junonius ) vorstellen, aber zu hundert Prozent sicher bin ich mir da auch nicht.
Liebe Grüsse Jeannine
Hallo Nina
Schade hast Du Dir die Zeit nicht genommen, um den Pilz zu beschreiben.
zB; Hutoberfläche, Geruch, Geschmack, Lamellen abschiebbar, Hutrand gerieft etc. etc., sind da doch oft «versteckte» Bestimmungsmerkmale zu finden.
Mein erster Gedanke bei Deinen Bildern war: Cortinarius, entweder UG. Dermocybe (Hautköpfe) oder UG. Leprocybe (Rauköpfe).
Habe im Kurs gelernt wie man beide UG. auseinander halten kann; Brennsprit auf ein Papiertaschentuch, einen Pilz einwickeln und 15 Minuten warten.
Verfärbt sich das Taschentuch, dann handelt es sich um eine Art der UG. Dermocybe.
Wenn nicht, dann ist es etwas Anderes.
Cortinarien im Winter? Es ist zwar alles möglich, aber wenig wahrscheinlich.
Ein weiteres Argument das gegen die Cortinarien spricht ist die Tatsache, dass sie ausnahmslos Mykorrhizapilze sind. Pilze auf Holz, Pflanzenreste etc. sind in der Regel keine Mykorrhizapilze. Somit fällt mE. diese Gattung weg.
Warum «in der Regel»? Habe auch schon mal einen Maronenröhrling einen Meter über Boden am Stamm einer saftführenden Kiefer gefunden!!
Wie weiter? Gymnopilus (Flämmlinge), die bauchige Stielbasis spricht dafür, der aber nur angedeutete Ring (und nur bei einem Expl.!) spricht dagegen.
Also zurück zu Deiner ersten Vermutung, Tubaria, Trompetenschnitzlinge.
Mit welchen Gattungen können Tubaria-Arten verwechselt werden?
Was sagt Erhard Ludwig, Pilzkompendium Band 1? Verwechslung möglich mit:
Flammulaster (Schnitzlinge), Galerina (Häublinge), Naucoria (Erlenschnitzlinge), Omphalina (Nabelinge), Phaeomarasmius (Schüppchenschnitzlinge), Psilocybe (Kahlköpfe, Klebeköpfe), Simocybe (Olivschnitzlinge) und Xeromphalina (Glöckchennabelinge), hier mache ich aber ein grosses Fragezeichen.
Zurück zu Deinen Pilzen.
Tubaria furfuracea, Gemeiner Trompetenschnitzling oder auch Winter Trompetenschnitzling genannt, kommt, wie der Name sagt auch im Winter häufig vor, und zwar auf Holz, Mulch etc.
Was da verwirrt, ist der keulige Fuss, was nicht üblich ist.
Aber es gibt ja auch Keulenfüssige Trichterlinge ohne einen solchen Fuss.
Ich meine, das Vorkommen auf Holz, die Jahreszeit, die Farbe von Hut, Lamellen und Stiel, die angedeutete Ringzone und das Bild (Habitus) der Lamellen gehen in Richtung der genannten Art.
Bin der Meinung es ist T. furfuracea, aber ganz sicher bin ich mir auch nicht.
Hinweis: Je nach Autor wird zwischen T. furfuracea (Gemeiner…) und T. hiemalis (Winter…) unterschieden. Ludwig bezeichnet T. hiemalis als Synonym von T. furfuracea.
Herzliche Grüsse, Marcello
Liebe Nina,
Wir haben ja am Telefon schon zweimal über diesen Fund gesprochen, der sicherlich schon einmal zugeschneit war, bevor du ihn entdeckt hast. Ausserdem hast du mir noch mehr Fotos zugeschickt. Schade, dass keine brauchbaren Exemplare mehr vorhanden waren einige Tage später!
Nun, ich denke, manchmal muss man einfach klein beigeben, wenn die Nachprüfbarkeit nicht möglich ist – und auch eine dritte Meinung führt nicht immer zum Ziel. Inzwischen habe ich aber diverse Bücher gewälzt und finde, dass ich nun ja auch gut noch eine dritte Variante bringen kann :-), eben der Vollständigkeit halber.
Mir gefallen die Argumentationen und Schlüsse von Jeannine und Marcello sehr gut, und ich bin zu einem ähnlichen Schluss gelangt, nämlich dass wir es entweder mit Flämmlingen oder Trompetenschnitzlingen zu tun haben.
Ich gebe dir aber recht, dass die Grösse und die konsequent fehlende Riefung gegen den T. furfuracea (und T. hiemalis) spricht; ausserdem wirken sie nicht hygrophan. Und dennoch überzeugt das Ausschlussverfahren von Marcello. Deshalb habe ich mir noch den Beringten Trompetenschnitzling (T. confragosa) näher angeschaut. Er wächst auf demselben Substrat, ist aber grösser als T. furfuracea – und ungerieft! Nur, der Ring wird als beständig beschrieben; deshalb wohl eher doch nicht. Ausserdem finde ich keinen Hinweis auf Wachstum im Winter (was ich aber weniger gewichte).
Das Problem mit dem Ring habe ich auch beim Beringten Flämmling (Gymnopilus junonius), obwohl ja mit etwas gutem Willen vielleicht eine Ringzone erkennbar ist. Ausserdem sind deine Pilze dafür eher etwas klein – und auf keinem der Hüte ist auch nur eine Andeutung von Schuppen erkennbar. Aber eben, die Stiele passen recht gut.
Nach einem Suchen bei den Flämmlingen bin ich auf den Weissbeschleierten Flämmling, Gymnopilus stabilis gestossen. Hutform und Grösse passen sehr gut zu deinen Exemplaren. Die Lamellen sind engstehend und am Rand in allen Längen dicht untermischt, was man bei deinen Exemplaren ebenfalls gut erkennen kann. Der eher kurze und kräftige Stil kann keulig sein, ist bräunlich befasert und verfügt (nur) jung über eine wattige Ringzone. Sein Name rührt daher, dass der Hut jung fast vollständig, bald aber nur noch in der Mitte über einen perlmuttartigen, weissen (weissgelben) Velum-Überzug verfügt, was bei einigen Exemplaren den Anschein macht. Aber auch bei dieser Art finde ich keine Hinweise auf Vorkommen im Winter, dafür aber die Aussage, dass sie nun einige Male auch auf Rindenmulch gefunden wurde; es gibt grundsätzlich nur wenige Beschreibungen und Fotos dieser Art.
Und dennoch, wenn ich Bilder und Beschreibung von Ludwigs Pilzkompendium 1 beiziehe, so bin ich der Meinung, dass diese Art am ehesten hinkommt: Weissbeschleierter Flämmling, Gymnopilus stabilis.
Kommentar:
Nun hast du drei recht nahe beieinander liegende Meinungen – und keiner von uns legt sich endgültig fest. Eine richtige Knacknuss hast du uns da geliefert, die wohl noch knackiger daherkommt, weil deine Pilze schon einmal mit Schnee bedeckt waren, was das Ganze noch schwieriger macht.
Ich hoffe, unsere Kommentare bringen dich trotzdem weiter und spornen dich an, den Fundort ab und zu wieder aufzusuchen, in der Hoffnung, dass die Pilze nochmals wieder kommen.
Und ja, deshalb finden wir diese Materie auch so spannend, weil wir immer wieder Neues lernen und erfahren dürfen (müssen :-)).
Herzlichi Pilzgrüess Thomas